Acht Stunden – Plädoyer für eine anständige Elternzeit

Acht Stunden. Acht Stunden arbeitsfrei kriegt ein Mann, wenn sein Baby auf die Welt kommt und das Leben auf den Kopf stellt. Oder anders gesagt: wir stellen es für einen Mann auf dieselbe Stufe, ein Kind zu bekommen und in eine neue Wohnung zu ziehen. Für beides gibt es einen Tag frei. Einen Tag frei für den Vater heisst auch: wir lassen Mütter nach nur vierundzwanzig Stunden alleine mit Nachwehen und Nachwuchs – auch dann, wenn schon ältere Kinder da sind. Das ist eine unglaubliche Geringschätzung gegenüber dem, was eine Mutter leistet. Und einen Tag frei für den Vater heisst auch: Es ist uns egal, wie das Kind eine Beziehung zum Vater aufbaut.

Noch wirkungsvoller könnte die traditionelle Rollenzuschreibung nicht zementiert werden.  Denn sobald der Vater wieder zurück bei der Arbeit ist, nimmt der Alltag der Mutter seinen Lauf. Wer den ganzen Tag mit dem Kleinkind verbringt, lernt schnell, ob es weint, weil die Windel voll oder der Bauch leer ist. Wer im Stundentakt Windeln wechselt, weiss, wann diese aufgebraucht oder der Strampler zu klein geworden ist. Und wer zu Beginn bei jedem Mucks die angefangene Tätigkeit unterbricht, wird das wohl auch dann tun, wenn beide zuhause sind. Die Gefahr ist gross, dass diese anfängliche Rollenzuteilung auch dann den Alltag bestimmt, wenn beide wieder erwerbstätig sind. Da ist der eine Elternteil, der die Hauptverantwortung trägt, das Zuhause organisiert und Routine gewonnen hat. Dort ist der Elternteil, der „unterstützt“ und sich in die zweite Reihe zurücklehnen kann. Der Vorsatz nach gleichberechtigter Elternschaft wird schneller als gewollt auf die Probe gestellt. Deshalb ist es so zentral, dass beide Elternteile von Beginn an gemeinsam und gleichwertig die Verantwortung tragen. Abgesehen vom Stillen ist mir bis heute keine Aufgabe begegnet, die der Vater nicht ebenso gut erledigen könnte. 

Viele Väter können heute mehr als einen Tag zuhause bleiben. Weil sie einen Arbeitgeber haben, der die Zeichen der Zeit erkannt hat und einen Vaterschaftsurlaub gewährt. Oder weil sie es sich leisten können, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Das Nachsehen haben Mitarbeiter in KMUs, die den Vaterschaftsurlaub nicht aus der Firmenkasse bezahlen können. Sie sind auf eine gesetzliche Regelung angewiesen, die über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird. Ich verstehe deswegen den Widerstand des Gewerbeverbands nicht.

Und das Nachsehen haben all die Familien, die sich unbezahlten Urlaub nicht leisten können.

Benachteiligt sind aktuell aber auch alle Frauen. Sie erleben eine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, weil nur sie unter Verdacht stehen, länger zu fehlen, wenn sie Kinder kriegen.

Ein vierwöchiger Vaterschaftsurlaub ist das Mindeste und kann nur der erste, überfällige Schritt sein. Was es braucht, ist eine Elternzeit, zum Beispiel von 38 Wochen. Je vierzehn Wochen für den Vater und die Mutter und zehn Wochen, die sie sich frei einteilen können. Solche Modelle sind in anderen Länder längst eine Selbstverständlichkeit. Die Schweiz würde auch mit einem vierwöchigen Vaterschaftsurlaub nicht vorne mit dabei sein.  Aber der Anfang wäre immerhin geschafft – willkommen im 21. Jahrhundert.

Auch mit einem Vaterschaftsurlaub oder einer Elternzeit bleibt eine gleichberechtigte Elternschaft eine Herausforderung. Gerade weil die Schweiz alles andere als ein familienfreundliches Land ist. Aber mit einer Elternzeit ist es wenigstens nicht nur ein Privileg für gutsituierte Paare, die sich unbezahlten Urlaub einrichten können.

Erlauben Sie mir eine Bemerkung zum Schluss: Jedes Jahr gehen junge Männer drei Wochen in den Wiederholungskurs der Armee. Niemand schreit danach, dass das volkswirtschaftlich nicht finanzierbar sei und für Firmen organisatorisch nicht machbar. Aber einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub sollen wir uns nicht leisten können? Wollen wir wirklich unseren Kindern das Signal senden, dass es für uns als Gesellschaft wichtiger ist, zu lernen, wie man auf Menschen schiesst. Und es weniger wichtig sein soll, für sein Kind von Beginn an da zu sein. Ich bin überzeugt: Eine Gesellschaft, in der Väter präsenter sind im Leben ihrer Kinder, ist eine bessere und friedlichere Welt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie. Stimmen Sie der Vaterschafts-Initiative zu.

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