Ich würde von mir sagen, dass ich eine vielseitig interessierte Politikerin bin. Ich würde auch behaupten, dass ich einigermassen effizient arbeite. Aber nach vier Jahren im Nationalrat muss ich mir eingestehen: Ich kann mit den Arbeitstieren auf bürgerlicher Seite nicht mithalten. Nicht nur brennen sie für alles Mögliche. Ihre Tage scheinen auch mehr als 24 Stunden zu haben, ihre Wochen mehr als sieben Tage, ihr Jahr mehr als 365 Tage. Oder wie sonst bringen sie ihr Parlamentsamt mit all ihren Mandaten unter einen Hut?
Nehmen wir zum Beispiel SVP-Ständerat Roland Eberle. Der Thurgauer sitzt in fünf verschiedenen Verwaltungsräten. Bei der Immobiliendienstleisterin HRS amtet er als Verwaltungsrats-Präsident. Bei der Axpo-Holding ist er Vizepräsident. Für die Krankenversicherung Groupe Mutuel sitzt er als Vizepräsident im Verwaltungsrat. Wie hoch seine Entschädigungen dafür sind, gibt Eberle nicht bekannt. Doch von seinen beiden Vizepräsidien weiss man, dass er mehrere zehntausend Franken pro Mandat und Jahr erhält.
Bei einer „normalen“ Entschädigung würde jedes Mandat also einem 40-50 Prozent-Pensum entsprechen. Dazu kommen die anderen Verwaltungsratsmandate. Dann ist er ja noch Ständerat. Macht zwölf Wochen im Jahr in Bern während der Session. Und mehrere Tage pro Monat an Kommissionssitzungen. Öffentliche Auftritte und Vorbereitungsarbeiten sind dabei noch nicht einberechnet.
Eberle ist kein Einzelfall. Ich hätte ebenso gut andere Beispiele nehmen können. Ich glaube nicht, dass im Parlament Superman und Superwoman sitzen. Ich glaube eher, dass sich viele ihr Parlamentsmandat vergolden lassen. Selbstverständlich gibt ein Verwaltungsrat zu tun. Aber Aufwand und Entschädigung stehen in keinem Verhältnis zueinander. Wird hier Geld kassiert und dafür garantiert, dass bei passender Gelegenheit in der Kommission den Antrag eingereicht wird, über den sich die Krankenkasse freuen wird? Oder im richtigen Moment bei der Abstimmung den Ja-Knopf gedrückt wird, damit die Immobilienfirma steuerlich begünstigt ist?
Der SVP-Ständeratskandidat Roger Köppel ist schlau. Er hat erkannt, dass die Menschen gekaufte, abhängige Politik abstossend finden. Und versucht sich als unabhängigen, mandats-freien Saubermann zu verkaufen. Abstossend ist aber auch sein durchschaubares Spiel. Vor drei Jahren haben wir mit einem Antrag gefordert, dass offengelegt werden muss, wieviel ein Mandat einbringt. Roger Köppel hat an der Abstimmung teilgenommen. Und dagegen gestimmt. Ausser der SP und der Grünen wollte keine Partei etwas davon wissen. Es ist ein weiter Weg zur Transparenz.
Zum Schluss noch dies: Als Präsidentin des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH erhalte ich 6000 Franken pro Jahr, der Aufwand entspricht einem 10 bis 15-Prozent-Job. Und als Co-Präsidentin der Plattform zu den Sans-Papiers gibt es an den Sitzungen manchmal ein Gipfeli.
Artikel erschienen im PS am 4.10.19