Die Macht der Sprache

Ich spreche viel und oft. Aber ich höre auch oft zu – und erschrecke dabei immer wieder, wie gesprochen wird. Damit meine ich weder irgendwelche F*-Wörter noch Anglizismen, die sich in die deutsche Sprache geschlichen haben und über die sich Hinz und Kunz so furchtbar ärgern können. Das ist mir reichlich egal (auch wenn ich Deutschsprachige, die mit englischen Begriffen nur so um sich werfen, eher peinlich finde).

Weniger egal ist mir aber, wie mit Sprache Realitäten geschaffen und unser Denken geprägt wird. Beispiele gefällig? Während SVP-Asylhardliner Andreas Glarner davon überzeugt ist, dass es „zu einer Flüchtlingsinvasion kommen wird“ und die „Gemeinden Asylsuchende aufnehmen wie ein Schwamm“, wirft die SRF-Politsendung Arena die Frage auf, ob „wir uns gegen Flüchtlinge wehren müssen?“. Mit kriegerischen Worten beschwören sie ein Bedrohungsszenario herauf, auf das es nur eine Antwort geben kann: Geschlossene, gesicherte Grenzen. Wer denkt hier noch an tausende von erschöpften Menschen, die mit zerschlissenen Schuhen hunderte Kilometer weit gelaufen sind und auf überfüllten Booten um ihr Leben gekämpft haben? Ausser naive «Gutmenschen» wohl niemand mehr. Aber die haben ja auch noch nicht begriffen, dass wir von «Scheinasylanten» und «Scheininvaliden» ausgesogen werden. Und die haben auch noch nicht kapiert, dass wir die Kräfte des Marktes spielen lassen sollten, weil er sonst böse, erzürnt oder nervös reagiert. Wir sind also besser lieb zu dieser «unsichtbaren Hand des Marktes».

Sprache ist nicht egal. Es ist nicht Zufall, dass Flüchtlinge entmenschlicht und Märkte vermenschlicht werden. Sprache ist Macht und es sind vor allem die Mächtigen, die es schaffen, sich die Macht der Sprache zunutze zu machen. Denen, die mir «Gutmensch» an den Kopf werfen, werde ich dennoch – oder gerade darum – mit einen «Danke» begegnen.

erschienen im Winterthurer Kulturmagazin Coucou, Juni/Juli 2016

 

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