Eritreisches Sommerloch in der Schweiz

Das Sommerloch neigt sich zum Glück dem Ende zu. Es ist bekanntlich die Zeit, wenn alle, die können, sich in die Badi, ans Meer oder in die Berge verziehen. Spannende Geschichten und berichtenswerte Ereignisse bleiben dann Mangelware. Zurück bleiben Journalistinnen und Radiomacher, die Zeile um Zeile oder Minute um Minute füllen müssen. Diese mediale Not bedeutet nicht nur bildreichere Zeitungen als sonst, sondern bringt auch die zynischsten Forderungen von manch einem Politiker zutage.

Trotz Sommerloch und Sommerferien habe ich Zeitung gelesen und musste feststellen, dass es dieses Jahr besonders schlimm ist – was wohl den nahenden nationalen Wahlen geschuldet ist. Dominierendes Thema waren die eritreischen Asylsuchenden in der Schweiz.

Der Anfang machte die SVP mit ihrer Forderung, Asylsuchenden aus Eritrea grundsätzlich kein Asyl mehr zu gewähren. Der Wehrdienst möge zwar hart sein und lange dauern, sei aber nicht lebensbedrohlich. (Eine wesentliche Bemerkung: Eritrea, auch als „Nordkorea von Afrika“ bezeichnet, verpflichtet Männer und Frauen zu einem Wehrdienst, dessen Dauer unbestimmt ist und lebenslang dauern kann). Neben der SVP liessen sich auch andere bürgerliche Parteien nicht vom Bericht der UNO beirren, in dem die schwierige Menschenrechtslage im Willkürstaat kritisiert wird. Auch die Tatsachen, dass kein einziges europäisches Land Asylsuchende nach Eritrea zurückschickt und die Anerkennungsrate von eritreischen Flüchtlingen sehr hoch ist, beeindruckte diese selbsternannten Expertinnen und Experten wenig.

So verlangte die Luzerner Regierung in einem Brief an den Bund, dass Asylsuchende aus Eritrea nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt werden sollen. Selbstgerecht lehnen sie es ab, diese als „echte Flüchtlinge“ anzuerkennen – trotz unbeschränktem Militärdienst, Willkür und totalitärer Überwachung. Die CVP ihrerseits fordert ein generelles Verbot von Bargeld und eine Arbeitsverpflichtung für Asylsuchende. Der Lohn für diese Arbeit würde ihnen jedoch nicht ausbezahlt, sondern in einen Fonds für Flüchtlingswesen fliessen. Das kommt Zwangsarbeit gleich. Zu guter letzt ist auch die FDP auf der Asyl-Welle weitergeritten und verlangt neben der Rückschaffung in das kleine ostafrikanische Land gar die Schliessung des eritreischen Generalkonsulates.

Erstaunlich wenig bis nie kamen in all diesen Medienberichten und Diskussionen die Betroffenen selber zu Wort. Das kommt den Asyl-Hetzerinnen und Hetzer gelegen. Schliesslich würden sich wohl die wenigsten von ihnen getrauen, eritreischen Asylsuchenden, die vor einem unmenschlichen Frondienst geflohen und auf dem Weg über das Mittelmeer beinahe ertrunken wären, in die Augen zu sehen und zu sagen, sie müssten halt wieder zurück, weil sie keine echten Flüchtlinge seien und hier kein Platz für sie sei.

Ich habe es bei der Zeitungslektüre im Internet gelassen, die hunderten von Kommentaren von „empörten Schweizerinnen und Schweizern“ zu lesen. Sie hätten meine Ferienstimmung zunichte gemacht.

Artikel erschienen am 15. August 2015 auf www.wandzeitung.ch

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