Geschätzter Bundesrat Parmelin, wir haben ein Problem.

Am 13. März kommt die Schweiz coronabedingt zum Stillstand. Feste finden schon länger keine mehr statt, auch die Fasnacht wurde zu Recht abgesagt. Nun müssen auch Restaurants und Läden schliessen. #Stayhome ist das Gebot der Stunde, um verletzliche Menschen vor der Krankheit und das Gesundheitswesen vor dem Kollaps zu bewahren. Wir halten uns dran und sind solidarisch.

Neben der Verunsicherung vor dem Virus haben viele auch Existenzängste. Erwerbstätige fürchten den Jobverlust oder die Lohnkürzung wegen Kurzarbeit. Besonders hart trifft es Selbstständige und kleine Betriebe, die keine Aufträge mehr haben. Sie prüfen ihr Kontostand, weil sie wissen: Es gibt kein Geld von einer Sozialversicherung.

Doch Sie und Ihr Bundesratskollegium reagieren rasch und versprechen: „Hilfe kommt. Niemand wird allein gelassen.“ Betroffene können wieder besser schlafen. Selbstständige erhalten Erwerbsersatzentschädigung. Inhaber*innen von GmbHs und AGs bekommen eine Pauschale von 3320.- pro Monat (nachdem sie jahrelang in die Arbeitslosenkasse einbezahlt haben). Das deckt zwar bei weitem nicht Fixkosten wie die Geschäftsmiete. Sie rufen Vermieter und Mieterinnen auf, individuell Lösungen zu finden. Und wird keine gefunden, habt ihr vorgesorgt: Die Betriebe können Schulden aufnehmen. Innert dreissig Minuten sei das Geld auf dem Konto, sagt Ihr Kollege Ueli Maurer euphorisch. Dass Kredite das Problem in die Zukunft verschieben, lächeln Sie weg.

Die Lage beruhigt sich. Doch die Existenzangst bleibt. Viele Selbstständige sind bei der ersten Abrechnung der Erwerbsersatzentschädigung überzeugt, dass da ein Fehler passiert sein muss: 250 Franken Entschädigung. Pro Monat. Andere bekommen etwas mehr, aber bei den wenigsten reicht es.

Die Lage beruhigt sich weiter. Sie können dem Druck der Wirtschaftsverbände endlich nachgeben und Lockerungen verkünden. Bald ist alles wieder gut. Job done, denken Sie. Auch Ihre ehemaligen Arbeitskollegen, die Weinbauern, klopfen Ihnen auf die Schulter: Sie erhalten 10 Millionen Franken.

Doch nicht alle können auf so viel Verständnis von Ihnen hoffen, obwohl Sie am Sonntag immer das kleine Gewerbe loben. Ende Mai stoppen Sie aus heiterem Himmel die Soforthilfe für Geschäftsinhaber*innen. Auch indirekt betroffene Selbstständige kriegen nichts mehr.

Ihnen scheint egal zu sein, dass grössere Veranstaltungen nach wie vor nicht stattfinden können, Festivals abgesagt und Firmenausflüge verschoben wurden.  

Zehntausende Selbstständige und Inhaber*innen von kleinen Betrieben wissen nicht, wie sie den Sommer ohne Aufträge überstehen sollen. Doch für Sie und Ihr Staatssekretariat für Wirtschaft hat das keine Dringlichkeit. Sie weigern sich, Vorstösse im Parlament rechtzeitig zu behandeln, welche die Weiterführung der Soforthilfe fordern. Für Sie kann das bis im September warten. Für viele ist es dann zu spät.

Mit verständnislosen Grüssen, Mattea Meyer

Text erschienen im P.S am 12. Juni 2020

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