Milliardenschwere Eindrücke

Ich bin seit einem halben Jahr Nationalrätin. Ich bin jung, eine Frau, eine linke noch dazu. Ich habe die besten Voraussetzungen, dass mich die Mehrheit in diesem Parlament – ältere, rechte Männer – nicht ernst nimmt. Das alleine ist es aber nicht. Sie nehmen die gesamte soziale, solidarische und demokratische Schweiz links der Mitte nicht ernst. Nicht dass ich etwas anderes erwartet hätte, aber erschrocken bin ich schon über die Unverfrorenheit, wie die Rechten aus unserem Staat einen Selbstbedienungsladen für Besitzende machen.

Ohne mit den Schultern zu zucken, kürzten sie in der Budgetdebatte im Dezember das Geld zusammen und verschonten lediglich die Landwirtschaft. In der Frühlingssession im März machten sie mit der Unternehmenssteuerreform III ein Milliardengeschenk an Grosskonzerne. Während sie behaupten, dass wir es uns nicht mehr leisten könnten, die angestrebten 0.5% des Bruttoinlandprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben und kürzen müssten. Wir, die Schweiz, die im Jahr 2015 einen Gewinn von 2.3 Milliarden Franken erzielt hat.

Gleichzeitig verkündeten sie eine massive Kürzungskaskade, von der nur die Armee ausgenommen wird. Für welche Projekte die gesprochenen 5 Milliarden pro Jahr ausgegeben werden sollen, ist nicht wichtig. Hauptsache, die Milliarden fliessen in die Aufrüstung und nicht in die Armutsbekämpfung.

In der Sondersession im April wurden dann noch die landwirtschaftlichen Grossgrundbesitzer belohnt. Gewinne aus dem Verkauf von bäuerlichem Bauland soll in Zukunft privilegiert besteuert werden. Das lässt sich die Nationalratsmehrheit jährlich 400 Millionen Franken kosten – je 200 Millionen entgehen dem Bund und der AHV. Diesem Vorhaben hat nun aber wohl SVP-Bundesrat Guy Parmelin, Weinbauer und möglicher Profiteur einer privilegierten Besteuerung, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es ist gut möglich, dass der Ständerat das landwirtschaftliche Steuergeschenk versenken wird. Damit aber noch nicht genug. Denn in der gleichen Session lehnte es eine knappe rechte Mehrheit ab, einen bescheidenen, zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub einzuführen. Dabei führten sie nicht nur an, dass „Elternschaft“ Privatsache sei, sondern auch, dass wir uns dies nicht leisten könnten. Ah ja…

Meine Bilanz aus einem halben Jahr in Bern ist zahlenlastig und milliardenschwer. Doch es ist diese zerstörerische Steuergeschenk-und-Abbau-Politik, die zurzeit dominiert. Und die mich antreibt, eine linke Alternative dazu zu formulieren. Es braucht eine Steuer- und Finanzpolitik, die auf dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beruht und nicht auf Privilegien und Pfründe. So können wir endlich wieder eine demokratische Debatte darüber führen, wie wir unsere Zukunft als Gesellschaft gestalten möchten.

am 26.05.2016 erschienen auf www.wandzeitung.ch

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